Zur Erinnerung:
ArbSchG § 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen
(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.…
(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch
… psychische Belastungen bei der Arbeit.
Psychische Gesundheit und Stress:
Bei dem Erleben von Stress wird eine körperliche Reaktion ausgelöst. Diese beinhaltet bspw. eine erhöhte Herzfrequenz, Blutdrucksteigerung das Ausschütten von Adrenalin und Stresshormonen. Auf psychischer Ebene kommen bei andauerndem Stress Gefühle von Angst, Frust, Anspannung und Ärger auf. Es treten schneller Ermüdungserscheinungen auf und längerfristig können sich Unzufriedenheit, Resignation und psychosomatische Erkrankungen wie Depression entwickeln.
Die Leistung der Person schwankt, ihre Konzentration lässt nach und sie macht schneller Fehler. Es kommt häufiger zu sozialen Konflikten und Streit, aggressives Verhalten häuft sich oder eine Person isoliert sich sozial innerhalb und außerhalb der Arbeit. Längerfristig kann es verstärkt zu Nikotin-, Alkohol- und Tablettenkonsum kommen und die Krankheitstage steigen.
Zur Erhebung der psychischen Gefährdungen wurde ein neuer Fragebogen implementiert, der verschiedene Bereiche der Arbeit untersucht: Arbeitsinhalt, Verantwortung und Qualifikation, Emotionale Belastung, Arbeitsorganisation, Soziale Beziehung und Arbeitsumgebung und Arbeitsplatzgestaltung. Welchen Einfluss die verschiedenen Bereiche auf die psychische Gesundheit von Mitarbeitenden haben können ist in den nachfolgenden Abschnitten dargestellt.
Psychische Gesundheit und Arbeitsinhalt:
Studien zeigen, dass als vollständig wahrgenommene Tätigkeiten mit geringerem Burnout, geringerer Depressivität sowie geringeren Absentismusraten verbunden sind. Insgesamt wirken sich Tätigkeiten mit geschlossenen Aufgaben positiv auf das Befinden aus, indem sie Stress und Erschöpfung reduzieren sowie Arbeitszufriedenheit und Motivation fördern. Ein hoher Handlungsspielraum, also Kontrolle über die eigene Arbeit, steigert Arbeitszufriedenheit, Motivation und persönliche Leistungsfähigkeit, während ein Mangel an Kontrolle emotionale Erschöpfung, Zynismus und Entfremdung von der eigenen Tätigkeit fördern kann. Zudem reduziert ein größerer Entscheidungsspielraum Fehlzeiten und emotionalen Stress, senkt möglicherweise den Blutdruck und kann das Risiko für muskuloskelettale Beschwerden sowie stressbedingte Erkrankungen verringern.
Informationsüberfluss führt oft zu Stress, Überforderung und kognitiver Erschöpfung, da Mitarbeitende Schwierigkeiten haben, relevante Informationen zu filtern und zu verarbeiten. Dies kann zu Entscheidungsunsicherheit, verringerter Produktivität und einem erhöhten Risiko für Burnout führen. Fehlende Informationen hingegen können Unsicherheit, Frustration und Stress verursachen, da Beschäftigte nicht über genügend Informationen verfügen, um ihre Aufgaben effizient zu erledigen. Dies kann zu Fehlern, reduzierter Motivation und einem Gefühl der Hilflosigkeit beitragen.
Psychische Gesundheit und Verantwortung & Qualifikation:
Unklare Rollen und unrealistische Leistungsanforderungen führen häufig zu Stress, Überforderung und ineffizienter Arbeit. Fehlbelastungen, Unsicherheit und ein erhöhtes Stressniveau können entstehen, wenn die Tätigkeiten nicht der vorhandenen Qualifikation entsprechen oder die Person unzureichend eingearbeitet wurde. Sind Aufgaben zu schwer und komplex kann das zu Frustration, Burnout, Erschöpfung und langfristig zu Depression und Angst führen. Auch die Kündigungsrate kann steigen. Gleichzeitig ist auch qualitative Unterforderung eine Fehlbelastung, die langfristig die Gesundheit der Mitarbeitenden belasten und zu Burnout, Depressionen und körperlichen Beschwerden führen kann.
Psychische Gesundheit und Emotionale Belastung
Emotionale Inanspruchnahme ist besonders im Dienstleistungs- und Gesundheitssektor von Bedeutung. Beschäftigte werden mit den Emotionen anderer konfrontiert und müssen adäquat reagieren. Fehlbelastungen resultieren aus der Notwendigkeit, bestimmte Gefühle nach außen zu zeigen, die den eigenen Gefühlen widersprechen. Es kann zu emotional belastenden Situationen wie beispielsweise Beleidigungen oder Bedrohungen durch verbale und körperliche Gewalt kommen. Dies führt längerfristig zu emotionaler Erschöpfung, geringerer Arbeitszufriedenheit, Burnout, Stress und gesundheitlichen Problemen. Das Verstecken der eigenen Emotionen oder das Zeigen emotionskonformer Mimik und Gestik ohne tatsächliches Fühlen kann zu Depersonalisation und geringer Arbeitszufriedenheit führen, das emotionale und körperliche Wohlbefinden beeinträchtigen und die Kündigungsabsicht erhöhen.
Psychische Gesundheit und Arbeitsorganisation
Lange, unregelmäßige oder schlecht planbare Arbeitszeiten sowie Nacht- und Schichtarbeit können psychisch und physisch stark belasten. Besonders negativ wirken sich fehlende Erholungszeiten, rückwärts rotierende Schichtpläne, Wochenend- und Sonntagsarbeit sowie unfreiwillige Überstunden aus. Folgen sind u. a. Müdigkeit, chronische Erschöpfung, Stress, Schlafstörungen und ein erhöhtes Risiko für Burnout und andere gesundheitliche Beschwerden. Über längere Schichten hinweg sinkt die kognitive Leistungsfähigkeit, was sich in einer erhöhten Fehler- und Unfallhäufigkeit zeigt.
Hohe Arbeitsintensität – z. B. durch Zeitdruck oder große Arbeitsmengen – steht im Zusammenhang mit emotionaler Erschöpfung, Depressionen, Angstzuständen, generell einem geringerem psychischen Wohlbefinden sowie körperlichen Beschwerden (z. B. Rückenschmerzen). Hohe Arbeitsintensität führt zudem zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit, geringerer Ergebnisqualität und niedriger Leistung, was die Arbeitssicherheit gefährdet. Einflussmöglichkeiten der Mitarbeitenden auf die eigene Arbeitszeitgestaltung und planbare Arbeitszeiten können entlastend wirken.
Ein gutes organisatorisches Klima, das durch offene Kommunikation und konstruktive Beziehungen geprägt ist, sowie eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur steht in Zusammenhang mit geringeren Burnout-Raten, weniger Depressionen und weniger Angstzuständen.
Psychische Gesundheit und Soziale Beziehung
Soziale Unterstützung durch Kolleg*innen und Vorgesetzte wirkt schützend auf die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz. Ihr Fehlen erhöht das Risiko für Depressionen, Burnout, emotionale Erschöpfung, Fehlzeiten und geringer Arbeitszufriedenheit. Soziale Stressoren wie Mobbing oder Gewalt am Arbeitsplatz belasten stark und sind mit psychischem Distress, Depression, Leistungseinbußen, Erschöpfung und erhöhter Wechselbereitschaft verbunden. Auch mangelndes Feedback oder fehlende Anerkennung fördern psychische Anspannung und verringern die Leistung und Arbeitszufriedenheit. Eine offene, wertschätzende Kommunikation kann dem entgegenwirken und zur psychischen Entlastung beitragen.
Psychische Gesundheit und Arbeitsumgebung & Arbeitsplatzgestaltung
Verschiedene Faktoren der Arbeitsumgebung – wie Lärm, Licht, Raumklima und ergonomische Gestaltung – beeinflussen die psychische Gesundheit, Konzentration und Leistungsfähigkeit erheblich. Bereits leichter Dauerlärm, z. B. durch Verkehr oder ständige Gespräche, kann Stress, Reizbarkeit, soziale Isolation und eine erhöhte Fehlerquote verursachen. Aufmerksamkeit und Entscheidungsfähigkeit nehmen ab.
Licht wirkt sich je nach Art und Zeitpunkt unterschiedlich aus: Helles Tageslicht – besonders morgens – fördert Schlaf, Stimmung, Konzentration und die innere Uhr. Künstliches Blaulicht am Abend hingegen stört diese Prozesse. Fenster mit Außenblick verbessern das Wohlbefinden, reduzieren visuelle Ermüdung und unterstützen die Augengesundheit.
Ein nicht individuell anpassbares Raumklima, etwa durch Kälte, Hitze oder Zugluft, kann neben körperlichen Beschwerden auch psychisch belasten. Fehlende Kontrolle über die Bedingungen verstärkt Stress, senkt Motivation und Konzentration und begünstigt krankheitsbedingte Ausfälle.
Auch die ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen spielt eine zentrale Rolle: Nutzerfreundliche, klar strukturierte Systeme nach Gestaltprinzipien unterstützen Aufmerksamkeit und kognitive Leistung. Eine schlechte Gestaltung kann hingegen zu kognitiver Überlastung und psychischer Beanspruchung führen.
Wichtig ist dabei stets: Die Möglichkeit, Arbeitsbedingungen mitzugestalten oder zu beeinflussen, wirkt schützend gegen psychische Belastungen.